Das 1798 in der Unteraltstadt gegründete Handelsgeschäft der «Gebr. Bossard» ist wohl der Ursprung der ältesten Zuger Kirschbrennerei. Mit ihrem Kirschwasser und Dörrobst waren die Bossards so erfolgreich, dass sie zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen gewannen und 1834/1844 den herrschaftlichen «Zurlaubenhof» im Süden der Stadt kaufen konnten. Beim Kirsch von 1834, welcher in Luzern preisgekrönt wurde, handelt es sich um das älteste dokumentierte gewerbliche Kirschwasser im Kanton Zug. Der letzte Eintrag zur Kirschbrennerei der «Gebrüder Bossard» stammt aus dem Jahr 1930.
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Die älteste Firma im Kanton Zug, die gewerblich Kirsch brannte, war vermutlich diejenige der Gebrüder Bossard in Zug. Das Unternehmen war 1798 von Mathias Damian Bossard-Hediger (1778–1803) und seinem Bruder Josef Blasius Bossard-Hediger (1782–1822) unter der Bezeichnung «Gebr. Bossard» gegründet worden. Das erste Handelsgeschäft in der Zuger Altstadt hiess «Zum Schwanen» (ehemaliges Gasthaus mit Tavernenrecht seit 1775, heute Unteraltstadt 13). 1817 lagerten bei «Bossard zum Schwanen» 4 Viertel Schnitze, 1’000 Mass Wein, 1’000 Mass Most und 190 Mass Bränz.[2] 1822 trat Joseph Matthias Damian Bossard-von Deschwanden jun. (1802–1877), der spätere Gründer der Zuger Sparkasse, ins Geschäft ein.[3] 1842 stiess sein Stiefbruder Josef Anton Bossard-Wickart (1816–1878) zur Firma, der das Gymnasium in Zug und das «Lyzeum» in Luzern besucht und eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen hatte. Zudem hatte er einige Jahre in einem Genfer Handelshaus und zwei Jahre in Amsterdam gearbeitet. Als alleiniger Geschäftsführer richtete dieser 1866 einen neuen Firmensitz im Haus «Zum unteren Schwert» an der nahen Grabenstrasse ein (ehemaliges Gasthaus, heute Kirchenstrasse 2/Grabenstrasse 1a/b). Dazu baute er das Haus um und legte es mit dem ebenfalls gekauften Haus Grabenstrasse 1b zusammen. Zudem baute er einen grossen Kellerraum mit Tonnengewölbe ein, um dort Waren zu lagern.[4] In einer Rechnung vom 3. Januar 1873 der «Gebrüder Bossard, zum Schwanen» wurde die Firma als «Spezerei- und Tabakhandlung» bezeichnet, namentlich wurden «Kirschwasser und gedörrtes Obst» erwähnt.
Einem Briefpapier vom 18. September 1883 ist zu entnehmen, dass 1830 eine Nachfolgefirma «Bossard Vater & Söhne» als Handelsmarke gegründet wurde, die sich in der «Solitude Zug (Schweiz)» (heute Zugerbergstrasse 10) (korrigierte Fassung) befand, quasi einem weiteren Geschäftssitz nach der Altstadt und neben der Grabenstrasse. Die Liegenschaft im «Hühnerheini», wie die Häuserzeile ursprünglich hiess, lag beim Pulverturm ausserhalb der Stadtmauer und hatte eigenes Land mit Kirschbäumen.[5] Dort brannten Vater und Söhne Bossard spätestens ab 1834 ihren eigenen Kirsch.[6]
Im Briefkopf von 1883 sind zahlreiche Auszeichnungen vermerkt: zwei Medaillen in Bern 1857, sechs Preise in Luzern 1866, eine Ehrenmeldung in Paris 1867, eine Medaille in Lyon 1872 sowie eine Medaille mit Diplom in Wien 1873. Die Firma handelte und verkaufte «Kirschwasser, Extrait d’Absÿnthe, Obstbrandtwein, Früchte etc.». Dazu sind bei «Importation» auch «Rhum, Cognac, Wermuth etc.» und bei «Représentation» auch «Rhein, Mosel etc. Weine» erwähnt. Immer wieder beteiligte sich die Firma Bossard an Ausstellungen, so etwa an der «dritten schweizerischen Industrie-, Kunst- und landwirthschaftlichen Ausstellung» vom 1. bis 10. Oktober 1857 in Bern, einer Vorläuferin der späteren Landesausstellungen. «Bossard Vater und Söhne» stellten vier Kisten mit je zwölf Flaschen Kirsch der Jahrgänge 1838, 1844, 1846 und 1856 zur Schau.[7] Sie gewannen «eine silberne Medaille für eine Auswahl ausgezeichneter Kirschwasser». Dabei zeichneten sich ihre Kirschwasser aus durch ein «sehr grosses und geordnetes Assortiment in ältern und neuern Jahrgängen» sowie die «Eigenthümlichkeit der Verpackung und Versendungsart, die auf grossen Verkehr schliessen lässt».[8] Unter den zehn Konkurrenten aus den Kantonen Bern, Schwyz etc. erhielten nur deren zwei Ehrenmeldungen, nämlich Bossard in Zug (Silbermedaille) und Fassbind in Oberarth (Kupfermedaille), der Rest ging leer aus.[9]
Aber nicht nur für den Kirsch, auch für ihre 1857 in Bern ausgestellten vier Kisten Dörrobst gewannen «Bossard Vater und Söhne» eine Silbermedaille «für ein Sortiment schön getrocknete Früchte». Der Jurybericht hielt fest: «Die zugerischen Landesprodukte Kirschenwasser und getrocknetes Obst bewähren also den alten Ruf.»[10] Offenbar haben die Bossards damals auch erfolgreich selber Dörrfrüchte produziert und gehandelt. An der «IV. Wanderversammlung des Schweizerischen Obst- und Weinbau-Vereins» 1867 in Luzern präsentierte «Bossard, Vater und Sohn, in der Solitude bei Zug, Kirschenwasser und verschiedene Zuger Weine, 1 Sortiment Gedörrtes, 7 Apfel- und Birnsorten». Das Zuger Familienunternehmen wurde in der Folge für Dörrobst, für Obstbranntwein, für Zwetschgenwasser und insbesondere für Kirschwasser von 1834 und 1838 (mit 13 Grad Cartier = 19 Volumenprozent Alkohol), Kirschwasser von 1850, Kirschwasser von 1865 (mit 15 Grad Cartier = 32 Volumenprozent Alkohol) ausgezeichnet.[11] Geliefert hatten sie auch Kirschwasser mit 28 Grad Cartier, was einem Alkoholgehalt von 75 Volumenprozenten entsprach und als «seltene Stärke» vermerkt wurde.[12] Beim Kirsch von 1834 handelt es sich um das älteste dokumentierte Kirschwasser aus Zug.
Wie erfolgreich die Gebrüder Bossard waren, zeigte sich auch darin, dass Joseph Matthias Damian Bossard jun. 1834/1844 den «Zurlaubenhof» in der Nachbarschaft erwerben konnte, diesen frühbarocken Landsitz, den einst die mächtigste Familie Zugs, die Zurlauben, erbaut hatte. (korrigierte Fassung) Auf dem «Zurlaubenhof» existiert noch ein Brennereihäuschen mit Brennanlage. (korrigierte Fassung) [13] Josef Anton Bossard war ab 1861 alleine für die Geschicke des Unternehmens verantwortlich, zudem war er auch in der Zuger Politik als Kantonsratspräsident (1878) und Regierungsrat (1868–1877) sowie als Direktionspräsident (ab 1872) der Sparkasse des Kantons Zug sehr aktiv. Er starb 1878 an Leberzirrhose.[14] Sein Sohn Franz Bossard-Landtwing (1851–1881) übernahm nach dem Tod seines Vaters die Liegenschaft «Zum Schwert» und führte das Geschäft weiter. Weil er zwei Meter gross war, bekam er den Übernamen «Gross-Bossard». Bossard wurde nur 30 Jahre alt.
Sein Sohn Josef Bossard war sein Nachfolger, wurde aber ebenfalls nicht alt. Der letzte bekannte Brief der Firma ist datiert auf den 18. September 1883, dennoch hatte die Firma weiter Bestand.[15] Denn nach dem Tod von Josef Bossard ging das Haus an dessen Onkel Gottfried Bossard-Jans/Stadlin (1852–1916) über, der auch das Geschäft weiterführte. Gottfried Bossard war nicht nur Geschäftsmann, sondern auch Fürsprech, Oberrichter, Kantonsrat und Kantonsratspräsident. Seine Schwester Louisa Elsener-Bossard übernahm 1916 Liegenschaft und Firma. Letztere liquidierte sie in den Jahren 1917/1919. Das Haus verkaufte sie der «Immobiliengenossenschaft DOSO AG zum Schwert (Dosenbach)», die das Haus erneuerte und darin ein Schuhgeschäft einrichtete.[16] Der letzte Eintrag zur Kirschbrennerei der «Gebrüder Bossard» auf dem Zuger «Zurlaubenhof» stammt aus dem Jahr 1930, als die Eidgenössische Alkoholverwaltung in Bern mittels Fragebogen ein «Kessi» mit 150 Litern und zwei «Hafen» mit je 30 Litern ermittelte.[17]
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Literatur: Kleeb Ueli / Lötscher Caroline, CHRIESI, Kirschenkultur rund um Zugersee und Rigi, Zug, 2017, www.chriesi.ch. Texte auf Seiten 455–559 zum Kirschgewerbe 1–45 von Ueli Kleeb & Michael van Orsouw.
[1] PA UK, AZRK, 1.2.0 Brennereien, Bossard, Zug; Auskünfte Emmy Bossard, Zug / Renato Morosoli, Zug. [2] «Verzeichnis über Einwohner, Lebensmittel und Viehbestand der Stadt Zug, April 1817», Statistik zu «Kirschen, Zwetschgen, Schnitze, Wein, Most, Bränz», in: BüA Zg, A 39.49. [3] Morosoli, Renato, «Bossard, Matthias Damian», in: HLS, www.hls-dhs-dss.ch, 2015; Luthiger, Viktor, «Häuser und Nachbarschaften der Stadt Zug», in: «Zuger Kalender 1951», Zug, 1951, S. 39. [4] Luthiger, Viktor, «Häuser und Nachbarschaften der Stadt Zug», in: «Zuger Kalender 1936», Zug, 1936, S. 53; Luthiger, Viktor, «Häuser und Nachbarschaften der Stadt Zug», in: «Zuger Kalender 1944», Zug, 1944, S. 44. [5] PA HZ, Hünenberg; Dittli, Beat, «Zuger Ortsnamen», Zug, 2007, Bd. 3, S. 64, Bd. 4, S. 341–342. [6] Stutz, Josef, «Kirschbaum – Kirsche – Kirschwasser», in: «Zuger Neujahrsblatt 1932», Zug, 1932, S. 41. [7] Haller’sche Buchdruckerei, «Katalog der dritten Schweizerischen Industrieausstellung in Bern 1857», Bern, 1857, S. 59. [8] Bolley, Alexander Pompejus, «Bericht über die dritte Schweiz. Industrie-Ausstellung in Bern 1857», Bern, 1857, S. 84. [9] Bossard, Georg, «Bericht des Kantonal-Komitee Zug über die dritte schweizerische Industrie-, Kunst- und landwirthschaftliche Ausstellung in Bern», Zug, 1858, S. 9. [10] Bossard, Georg, «Bericht des Kantonal-Komitee Zug über die dritte schweizerische Industrie-, Kunst- und landwirthschaftliche Ausstellung in Bern», Zug, 1858, S. 25. [11] Pfau-Schellenberg, Gustav, «Generalbericht über die IV. Wanderversammlung des Schweizerischen Obst- und Weinbau-Vereins», St. Gallen, 1867, S. 20, 41, 43, 46, 49. [12] Haller’sche Buchdruckerei, «Katalog der dritten Schweizerischen Industrieausstellung in Bern 1857», Bern, 1857, S. 59. [13] Birchler, Linus, «Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Zug-Stadt», Basel, 1935, S. 475; Müller-Schmid, Albert, «Europäisches Jahr für Denkmalpflege am Beispiel des Zurlaubenhofes», in: Hauszeitschrift Landis & Gyr, Nr. 4, 1975, S. 33. [14] Todesanzeige Neue Zuger Zeitung, Josef Anton Bossard, in: NZugerZ, Nr. 65, 14.08.1878, in: StA ZG PERAD, T 24–82; Nekrolog Zuger Volksblatt, Josef Anton Bossard, in: ZV, Nr. 65, 14.08.1878, in: StA ZG PERAD, T 24–82; Nekrolog Neue Zuger Zeitung, Josef Anton Bossard, in: NZugerZ, Nr. 66, 17.08.1878, in: StA ZG PERAD, T 24–82. [15] PA HZ, Hünenberg. [16] Luthiger, Viktor, «Häuser und Nachbarschaften der Stadt Zug», in: «Zuger Kalender 1944», Zug, 1944, S. 44. [17] Eidgenössische Alkoholverwaltung, «Eidg. Erhebung über den Bestand der Brennapparate vom 1. bis 6. September 1930, Fragebogen für kleinere Betriebe», Fragebogen, Bern, in: EAV, o.S.
[Abb. 0662] Rechnung «Gebrüder Bossard, zum Schwanen» in Zug, 3. Januar 1873: Die Firma bezeichnete sich als «Spezerei- und Tabakhandlung» und bot Kirschwasser und Dörrobst an.
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[Abb. 0663] Briefpapier der Handelsmarke «Bossard Vater & Söhne in der Solitude Zug (Schweiz)», 18. September 1883: Genannt werden diverse erhaltene Auszeichnungen sowie das Gründungsdatum von 1830.
[Abb. 0664] Kreuzung Kirchenstrasse/Grabenstrasse Zug, vor 1896: Rechts ist das Haus «Zum unteren Schwert» an der Grabenstrasse 1 und das Haus «Zum oberen Schwert» an der Kirchenstrasse 2 zu erkennen, in denen sich ab 1866 der zweite Geschäftssitz der «Bossard Vater & Söhne» befand.
[Abb. 0665] Unteraltstadt Zug, um 1900: Rechts ist das Haus «Zum Schwanen» an der Unteraltstadt 13 erkennbar, in welchem sich ab 1798 der erste Geschäftssitz der «Gebr. Bossard» befand.
[Abb. 0666] Die Häuserzeile «Hüenerheini», später «Solitude» genannt, links unterhalb des Pulverturms, vor 1902: Hier befand sich der dritte Geschäftssitz der Firma «Bossard Vater & Söhne in der Solitude Zug (Schweiz)».
[Abb. 0667] Geprägtes Logo im Briefkopf der «Bossard Père & Fils à Zug en Suisse», 27. September 1857.
[Abb. 0668] Gedenkmünze der «dritten schweizerischen Industrie-, Kunst- und landwirthschaftlichen Ausstellung» von 1857 in Bern: Für ihr Kirschwasser der Jahrgänge 1838 bis 1856 und ihr Dörrobst gewannen «Bossard Vater und Söhne» je eine Silbermedaille.
[Abb. 0669] Der «Zurlaubenhof» in Zug, ab 1843 Sitz der Familie Bossard, nach 1852.
[Abb. neu] Zeichnung der Liegenschaft im «Hüenerheini», später «Solitude» genannt, an der Zugerbergstrasse 10 gegenüber dem Pulverturm, in der die Familie Bossard wohnte und wo ab 1830 die Handelsmarke der «Bossard Vater & Söhne» domiziliert war, vor 1838.
[Abb. neu] Josef Anton Bossard-Wickart (1816–1878) war ab 1861 alleiniger Geschäftsführer der «Gebrüder Bossard», eröffnete 1866 den neuen Geschäftssitz an der Kirchenstrasse/Grabenstrasse und amtete auch als Kantonsratspräsident, Regierungsrat und Direktionspräsident der Sparkasse des Kantons Zug.
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Bildarchiv: PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug.
[Abb. 0662/0663] PA HZ, Privatarchiv Heinrich Zwyssig Hünenberg; [Abb. 0664/0665] BZ, Bibliothek Zug (Fotosammlung); [Abb. 0666]: PA JST, Privatarchiv Josef Strickler Zug; [Abb. 0667] StA ZG, Staatsarchiv Zug (CB 16); [Abb. 0668] PA LF, Privatarchiv Lukas Fassbind Oberarth; [Abb. 0669] BZ, Bibliothek Zug (Kleindruckschriftensammlung); [Abb. neu] StA ZG, Staatsarchiv Zug (P277.1.687); [Abb. neu] BZ, Bibliothek Zug.
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Literatur: Kleeb Ueli / Lötscher Caroline, CHRIESI, Kirschenkultur rund um Zugersee und Rigi, Zug, 2017, www.chriesi.ch. Texte auf Seiten 455–559 zum Kirschgewerbe 1–45 von Ueli Kleeb & Michael van Orsouw.