1855 gründete Martin Fischlin im «Baumgarten» in Arth eine Dampfbrennerei und produzierte vor allem «Kirsch du Rigi» und «Kirsch de Zoug». Das Geschäft mit dem Kirschwasser war national und international erfolgreich. Zusammen mit der welschen Partnerfima Corboz destillierte Fischlin auch Absinth. Ab 1936 stellte die Firma mit Erfolg auch Konfitüren her und vertrieb diese in speziellen Pergaminbechern. Ab 1957 kam der Betrieb in verschiedene Hände. Das Konfitürengeschäft wurde 1989 an die «Distillerie Räber AG» in Küssnacht verkauft. Im Jahr 2004 erlosch die Firma Fischlin, die einst zu den grössten Kirschbrennereien der Schweiz gehörte, im Handelsregister.
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1855 begann der Dorfschmied Joseph Martin Fischlin-Schindler/Baumgartner (1816–1891) im «Baumgarten» in Arth Kirsch zu brennen. Der Firmengründer, später auch Gemeindepräsident und Bezirksrichter, setzte mit seiner Brennerei auf «Kirsch Fischlin» und auf «Kirsch du Rigi & de Zoug». In den 1870er-Jahren ging die Kirschwasser-Dampfbrennerei auf Martins Sohn Xaver Fischlin-von Ricken-bach (1854–1916) über. Die «Distillerie à Vapeur» benützte die neueste Brenntechnologie und war damit erfolgreich. Die Firma gewann mehrere nationale und internationale Preise, unter anderem je eine Goldmedaille an den Landesausstellungen 1896 in Genf und 1914 in Bern sowie an der Weltausstellung 1906 in Mailand den «Grand Prix». Auch in Brüssel 1893 und Bordeaux 1896 konnte Fischlin Erfolge verbuchen.[87]
Neben dem Kirschwasser handelte die Firma Fischlin auch mit Träsch und Burgunderweinen. Zwei sehr alte Flaschenetiketten «Kirschwasser» und «Burgunder» sind aus der Anfangszeit der Firma überliefert.[88] In Zusammenarbeit mit der Firma Corboz in Romont im Berner Jura geschäftete Fischlin auch mit Absinth. Unter dem Namen «Corboz & Fischlin à Romont» produzierten die Partnerfirmen den bekannten «Absinthe Petitpierre». Über diese Firma vertrieb Fischlin auch Kirschwasser ins Welschland und nach Belgien. In einem Brief vom 22. Oktober 1915, als Xaver Fischlin Aktivdienst leistete, heisst es: «Die Geschäfte gehen gut. Dem Küfer hat man haarigerweise den Urlaub verweigert. Der Mostet ist am Auströpfelen. Schnaps kaufen wir in grossen Quantitäten.» Und zum Absinth steht: «Wir werden nämlich den grossen Bruder vom Absinthhafen von Romont hierhernehmen und dort aufstellen.»[89]
1916 verunglückte Xaver Fischlin bei einem der ersten Autounfälle der Schweiz tödlich. Bei einem Ausweichmanöver mit einem Pferdefuhrwerk stürzte er in den Zugersee. Daraufhin übernahmen seine Söhne Xaver (1885–1969) und Hermann (1893–1957) das Geschäft, das sich bestens weiterentwickelte. In den 1940er-Jahren soll die «Fischlin Sohn AG» in Arth eine der grössten Schweizer Kirschbrennereien gewesen sein. Neben Kirsch stellte die Firma Fischlin auch «Zwetschgenwasser», magenstärkenden «Rigi-Enzian» und weitere Spirituosen her. Zudem produzierte das Unternehmen ab 1936 Konfitüren, die als «Dr. Fischlin’s Confiture» in Pergaminbechern verkauft wurde.[90]
Xaver Fischlin war 72-jährig, als sein Bruder Hermann verstarb. Er sah 1957 keine andere Lösung als den Verkauf des Betriebes. Der neue Eigentümer, Armin Signer, behielt die Firma nur gerade fünf Jahre und verkaufte sie 1962 weiter an den Zürcher Industriellen Hans Rudolf Wertheimer und an Giovanni Bottinelli, der auch gleich die Geschäftsführung besorgte. Später wurde Wertheimer alleiniger Besitzer, doch die Produktion des Kirschwassers wurde eingestellt. Die Marke «Dr. Fischlin’s Konfitüren» ging 1989 an die Küssnachter «Distillerie Räber AG», die auf die Herstellung von Konfitüren spezialisiert ist. Die Firma «Fischlin AG» existierte gemäss Handelsregister noch bis 2004.[91]
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Literatur: Kleeb Ueli / Lötscher Caroline, CHRIESI, Kirschenkultur rund um Zugersee und Rigi, Zug, 2017, www.chriesi.ch. Texte auf Seiten 455–559 zum Kirschgewerbe 1–45 von Ueli Kleeb & Michael van Orsouw.
[86] — PA UK, AZRK, 1.2.0 Brennereien, Fischlin, Arth; PA JF, Zürich; Auskünfte Jürg Fischlin, Zürich. [87] — PA JF, Zürich. [88] — PA UK, Zug. [89] — PA JF, Zürich. [90] — Koch, Hans / Nussberger, Paul, «Beiträge zur Heimatgeschichte von Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug», Zollikon– Zürich, 1947, S. 92–93; Scheiwiller, Yvonne, «Schwyzer Industriekultur», Schwyz, 2010, S. 206. [91] — HR SZ.
[Abb. 0747] Dorfschmied Joseph Martin Fischlin-Schindler/Baumgartner (1816–1891) vom «Baumgarten» in Arth, vor 1891: Er war 1855 Gründer der Destillerie «Kirsch Fischlin».
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[Abb. 0748/0749] Flaschenetiketten «Burgunder» und «Kirschwasser», nach 1855: Die Kirsch-Etikette aus dem Firmenarchiv Fischlin ist wohl die älteste erhalten gebliebene Beschriftung einer Kirschflasche.
[Abb. 0750] Postkarte der Rigi-Kirschwasser-Destillerie «Xavier Fischlin Fils, Arth» an die Kirschbrenner und -händler «Bossard Vater & Söhne» in Zug, 16. Oktober 1889.
[Abb. 0751] Reklameblechschild «Xavier Fischlin Fils, Arth au Rigi», 1896–1916: Fischlin machte Werbung für «Kirsch du Rigi et de Zoug».
[Abb. 0752] Plakat «Absinthe Petitpierre» der Destillerie «Corboz & Fischlin à Romont», 1920: Fischlin war auch im lukrativen Absinth-Geschäft tätig.
[Abb. 0753] Briefkopf mit dem herrschaftlich angelegte Firmengelände der Dampfbrennerei «Xaver Fischlin, Sohn» im «Baumgarten» bei Arth mit Rigi im Hintergrund, um 1915: Die Firma Fischlin betrieb neben der Brennerei auch eine eigene Küferei.
[Abb. 0754] Bocksbeutelflasche «Kirsch du Rigi» der Firma Fischlin, 1919.
[Abb. 0755/0756] Pergaminbecher für die «Dr. Fischlin’s Confiture», ab 1936, und Konfitürenglas, vor 1989.
[Abb. neu] Leidbild von Xaver Fischlin (1885–1969).
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Bildarchiv: PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug.
[Abb. 0747] PA JF, Privatarchiv Jürg Fischlin Zürich; [Abb. 0748/0749/0750/0751] PA JF, Privatarchiv Jürg Fischlin Zürich; [Abb. 0752] WIKI, Wikipedia Commons; [Abb. 0753/0754] PA JF, Privatarchiv Jürg Fischlin Zürich. [Abb. 0755] Koch, Hans / Nussberger, Paul, «Beiträge zur Heimatgeschichte von Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug», Zollikon–Zürich, 1947; [Abb. 0756] PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug; [Abb. neu] StA SZ, Staatsarchiv Schwyz.