1868 eröffnete Franz Holzgang ein Sprituosengeschäft in der Liegenschaft «Zur Taube» sowie eine Brennerei im Haus «alte Farb» in Küssnacht. Zuvor absolvierte er in Zug einige Lehrjahre bei der Kirschbrennerei Wyss sowie im Destillationsgeschäft von Anton Bossard, dessen Tochter er in der Folge heiratete. Holzgang war viel unterwegs und verkaufte Kirschwasser und Magenbitter auf seinen Geschäftsreisen im Ausland. Seine Nachkommen bauten den Likörhandel mit Erfolg aus und erweiterten den Laden mit dem Verkauf von «Destillaten, Drogen und Kolonialwaren». 1962 wurde aus der Drogerei eine Apotheke, die heute noch existiert. 1995 kam es zur Liquidation der Brennerei und die Aktiengesellschaft erlosch 1999 im Handelregister.
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Die Holzgang von Immensee und Küssnacht am Rigi gehören zu den ältesten Familien des Bezirks Küssnacht. Der Gründer der «Brennerei Holzgang» war Franz Joseph Holzgang-Bossard (1841–1918), ein Sohn des Schwyzer Kantonsrichters Josef Holzgang. Nach den Schulen in Küssnacht und Aufenthalten in der Romandie kam Franz Joseph 1861 mit 20 Jahren nach Zug, wo er eine Stelle als Commis (Handlungsgehilfe) im Destillationsgeschäft von Martin Anton Wyss in der «Münz» antrat. Zwei Jahre später, also 1863, wechselte er für vier Jahre in das älteste Zuger Destillationsgeschäft «Zum Schwanen» von Josef Anton Bossard in der Zuger Altstadt und später in dessen neu aufgebautes Geschäft «Zum Schwert» an der Grabenstrasse. In Zug lernte er auch seine zukünftige Ehefrau Maria Anna Katharina Wilhelmina Bossard kennen, eine Tochter der alteingesessenen Zuger Familie Bossard.
Noch vor der Heirat im Jahr 1870 liessen sich die beiden in Holzgangs Heimatgemeinde Küssnacht am Rigi nieder, um dort 1868 ein eigenes Geschäft zu gründen.[120] Dazu kauften die Eltern ihrem Sohn Franz Joseph das Gasthaus mit Bäckerei «Zur Taube», eine ehemalige Brauerei und die spätere «Tübli-Apotheke». Der 27-jährige Holzgang ging forsch vor, schloss Restaurant und Backstube und baute stattdessen eine Spirituosenhandlung ein. Zudem kaufte er die «alte Farb» im oberen Dorfteil, um dort eine Brennerei einzurichten, denn er wollte nicht nur handeln, sondern auch selber produzieren. Bereits 1868 hatte die «Brennerei Holzgang» neben «Rigi-Kirsch» und «Eier-Cognac», auch «Crème d’abricot» und «Crème de Moca» im Sortiment. Holzgangs Geschäft mit Kirschwasser, Magenbitter und Cognac entwickelte sich prächtig. Während Franz Joseph selber viel auf Geschäftsreisen ging, war seine Frau die umsichtige Leiterin und Lenkerin der Spirituosenhandlung, der sie noch einen Detailhandelsladen angliederte. Die Brennerei heimste zahlreiche Auszeichnungen ein, darunter die Goldmedaille und das Ehrenkreuz 1896 in Bordeaux für ihren «Kirsch» und für den «Rigi-Bitter». Die Kräuter- und Gewürzpräparate zur Herstellung des Bitters bezog Holzgang bei der 1873 in Zofingen gegründeten Firma Siegfried.[121]
1904 übergab Franz Joseph Holzgang das Geschäft seinem Sohn Franz Holzgang-Dober (1872–1917). Dieser erweiterte das Geschäft unter der Bezeichnung «F. Holzgang Sohn» durch Neubauten und begann nach alten Rezepten eigene Liköre zu fabrizieren, die in der ganzen Schweiz guten Absatz fanden. Franz war jedoch kein langes Leben beschieden, er starb 1917 im Alter von 45 Jahren. Mit einigen langjährigen Angestellten führte die Witwe Berta Holzgang-Dober das Geschäft 13 Jahre selbstständig weiter. 1930 übergab sie die Brennerei ihrem Sohn Franz Holzgang-Räber (1903–1942) und den Lebensmittelladen ihrem Sohn Hans Holzgang-Mächler (1906–1955), der dort eine Drogerie einrichtete. Mit den Söhnen kam frischer Wind ins Geschäft der «F. Holzgang Söhne, Distillerie, Drogen und Kolonialwaren». Die junge Generation investierte, erneuerte Anlagen und Gebäude, erweiterte den Kundenkreis, sodass sich das Geschäft gut entwickelte. Doch auch Franz Holzgang-Räber wurde nicht alt, er starb 1942 nur gerade 38-jährig. Seine Gattin Alice Holzgang-Räber führte die gut funktionierende Brennerei danach fast 20 Jahre lang weiter. 1961 übernahm mit Robert Holzgang-Allemann (*1933) die nächste Generation die Brennerei, welche fortan «Robert Holzgang» hiess. Nach dem Tod von Hans Holzgang-Mächler ging die Drogerie 1960 an seinen Sohn Hans Holzgang-Gschwend (*1933) über, der aus der Drogerie 1962 die «Tübli-Apotheke» machte.[122] Als die Firma Holzgang 1968 in Küssnacht ihr 100-Jahr-Jubiläum feierte, waren zahlreiche Spirituosen im Angebot, insbesondere der berühmte «Rigi-Kirsch», der Kirschwassersirup «Omnibus» und der schweizweit mit attraktiven Werbeplakaten angepriesene «Rigi- Bitter».[123] 1975 brachte Robert Holzgang-Allemann die Brennerei in eine neu gegründete Aktiengesellschaft «Robert Holzgang AG» ein. 1995 liquidierte er die Firma und liess sie per Ende 1999 im Handelsregister löschen. Die «Apotheke zur Taube» in Küssnacht existiert hingegen noch heute.[124]
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Literatur: Kleeb Ueli / Lötscher Caroline, CHRIESI, Kirschenkultur rund um Zugersee und Rigi, Zug, 2017, www.chriesi.ch. Texte auf Seiten 455–559 zum Kirschgewerbe 1–45 von Ueli Kleeb & Michael van Orsouw.
[119] — PA UK, AZRK, 1.2.0 Brennereien, Holzgang, Küssnacht; FA HG, Küssnacht; Auskünfte Robert Holzgang, Küssnacht. [120] — Koch, Hans / Nussberger, Paul, «Heimatgeschichte von Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug», Zollikon–Zürich, 1947, S. 99. [121] — Artikel Freier Schweizer, «Küssnachts gläserner Vergangenheit auf der Spur», in: FS, Küssnacht, 2012. [122] — Koch, Hans / Nussberger, Paul, «Beiträge zur Heimatgeschichte von Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug», Zollikon–Zürich, 1947, S. 99; Schönbächler, Karl, «100 Jahre Holzgang 1868–1968», Küssnacht am Rigi, 1968, S. 1–4. [123] — FA HG, Küssnacht. [124] — HR SZ.
[Abb. 0823] Pläne für ein neues «Magazin-Gebäude vür Herrn Franz Holzgang Sohn in Küssnacht Kt. Schwyz» an der Rigigasse 25 in Küssnacht, um 1904.
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[Abb. 0824] Bocksbeutelflasche «Rigi-Kirsch» der «F. Holzgang’s Erben Küssnacht», nach 1930.
[Abb. 0825] Plakat der «Distillerie F. Holzgang Fils» in Küssnacht am Rigi, nach 1904: Neben Kirschwasser waren auch Cognac und «Rigi-Bitter» im Angebot.
[Abb. 0827] Plakat «Rigi-Bitter» der «Figli fu F. Holzgang Distilleria» in Küssnacht, nach 1930.
[Abb. 0826] Flaschenetikette «Kirsch du Righi» von Holzgang, um 1930.
[Abb. 0828] Inserat «Rigi-Kirsch» der «F. Holzgang’s Erben, Küssnacht», 1948.
[Abb. 0831] Maischefasslager der Brennerei Holzgang, um 1950.
[Abb. 0829/0830] Feststehende und mobile Brennerei von Holzgang, 1950.
[Abb. 0832] Flaschenetikette des Kirsch-Sirup-Getränks «Omnibus, Liqueur fine» von Holzgang, ab 1961.
[Abb. 0833] Kräuter und Gewürze der Firma Siegfried Zofingen, ab 1961: Mit diesen Zutaten stellte die Brennerei Holzgang verschiedene Liköre her.
[Abb. 0834] Plakat «Rigi-Kirsch» von Holzgang, ab 1961.
[Abb. 0835] Brennerei Holzgang in Küssnacht am Rigi, 1967.
[Abb. 0836] Flasche «Rigi Kirsch» von Robert Holzgang, 1968.
[Abb. neu] Leidbild von Berta Holzgang-Dober (1878–1956).
[Abb. neu] Leidbild von Franz Holzgang-Räber (1903–1942).
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Bildarchiv: PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug.
[Abb. 0823] StA SZ, Staatsarchiv Schwyz; [Abb. 0824] PA LF, Privatarchiv Lukas Fassbind Oberarth; [Abb. 0825/0826/0827] FA HG, Firmenarchiv Holzgang Küssnacht; [Abb. 0828] FA HT, Firmenarchiv Heini Treichler Luzern/Zug; [Abb. 0829/0830/0831/0832] FA HG, Firmenarchiv Holzgang Küssnacht; [Abb. 0833] PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug; [Abb. 0834/0835/0836] FA HG, Firmenarchiv Holzgang Küssnacht; [Abb. neu] StA SZ, Staatsarchiv Schwyz; [Abb. neu] StA SZ, Staatsarchiv Schwyz.