Kirsch, Most und
Bränz rund
um Zugersee und Rigi

Kirschgewerbe 22:

Erfolgreiche Frauen im Kirschgewerbe

1879: Camenzind, Steinen [177]

Standorte: Steinen – Weidli (Weidlistrasse 1) / Herrengasse 8/Breitenstrasse 2.

Albert Camenzind hat die Distillerie in Steinen 1879 vom Onkel seiner Frau übernehmen können. Nach seinem frühen Tod führte Marie Camenzind das Unternehmen ab 1889 zusammen mit ihren drei Töchtern erfolgreich weiter. Ihr Kirschwasser wurde an diversen Schweizerischen Ausstellungen mehrfach ausgezeichnet und war begehrt. Witwe Camenzind war aber auch sozial engagiert und gründete oberhalb des Dorfes das St. Raphaelsheim für Kinder. Nach ihrem Tod spannte man mit einem Geschäftspartner zusammen, der die florierenden Destillate aus Steinen auf dem Platz Zürich verkaufte. 1972 ging die «Albert Camenzind's Witwe AG» Konkurs und wurde daraufhin liquidiert.

 

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Die «Distillerie Camenzind» im «Weidli» in Steinen trägt als Gründungsdatum das Jahr 1879. Albert Camenzind-Ehr­ler (1856–1889) aus Gersau hatte die Kirschdestillation vom Onkel seiner Ehefrau Marie Camenzind-Ehrler (1861–1945) übernehmen können. Nach Alberts frühem Tod mit 33 Jahren ging das Geschäft 1889 an seine Witwe und die drei Töchter über, die das Unternehmen erfolgreich weiterführten. Vor allem die ledige Tochter Frieda half im Geschäft aktiv mit. Schon früh wurde die Firma Camenzind für ihr Kirschwasser ausgezeichnet, so 1883 an der ers­ten Schweizerischen Landes­ausstellung in Zürich, 1895 an der sechsten Schweizerischen Landwirtschaftlichen Ausstellung in Bern und 1896 an der zweiten Schweizerischen Landesausstellung in Genf. Die älteste überlieferte Kirschflasche der Brennerei Camenzind stammt von 1896 und befindet sich in der Sammlung von Lukas Fassbind in Oberarth.[178]

 

Die Witwe Camenzind war nicht nur als Unternehmerin aktiv, sondern auch sozial engagiert: Sie gründete 1905 das St. Raphaelsheim im «Weidli», ein Sommerferienheim für Kinder, das heute die Sprachheilschule Steinen beherbergt. 1930 wurde die Kirschdestillation «Albert Camenzind’s Witwe» an der internationalen Kochkunstausstellung ZIKA in Zürich mit der Goldmedaille geehrt. Die Kirschwasserbrennerei ver­fügte 1932 über drei feststehende Brennblasen à 2 x 80 Liter und 1 x 300 Liter, was einem Gesamtblaseninhalt von 460 Litern entspricht.[179] 1944 wurde die Destillerie in eine Aktiengesellschaft überführt, 1945 starb Marie Camenzind-Ehrler. In der Geschäftsbilanz von 1945 wird Kirsch im Wert von 129’298.70 Franken und der Kauf von 13’592 Kilo Brennkirschen im Wert von 7’525.60 Franken ausgewiesen.

 

Die Firma «Albert Camenzind’s Witwe AG» bot neben Kirschwasser auch andere Obstbranntweine und Liköre, aber auch importierte Spirituosen und Champagner an. Ab 1953 arbeitete die Firma Camenzind mit Paul Horat zusammen, der in Zürich-Dietikon ein Depot unterhielt und für den Alleinverkauf der Camenzind-Des­tillate auf dem Platz Zürich zuständig war. 1964 gewann die Firma eine Goldmedaille an der Schweizerischen Landesausstellung in Lausanne. Im April 1972 musste der Konkurs verhängt werden, 1973 wurde die Firma «Albert Camenzind’s Witwe AG» liquidiert. An der Herrengasse in Steinen fand schliesslich ein Totalausver­kauf der Konkurswaren statt.[180]

 
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Quellen

Literatur: Kleeb Ueli / Lötscher Caroline, CHRIESI, Kirschenkultur rund um Zugersee und Rigi, Zug, 2017, www.chriesi.ch. Texte auf Seiten 455–559 zum Kirschgewerbe 1–45 von Ueli Kleeb & Michael van Orsouw.

 

[177] — PA UK, AZRK, 1.2.0 Brennereien, Camenzind, Steinen; Firmenarchiv Albert Camenzind Witwe Steinen, in: StA SZ, PA 42, Firmenarchiv Camenzind; Auskünfte Urs Affolter, Steinen. [178] — PA LF, Oberarth. [179] — Verzeichnis der Brennerei-Inhaber, Steinen 1028, EAV, Bern. [180] — Firmenarchiv Albert Camenzind Witwe Steinen, in: StA SZ, PA 42, Firmenarchiv Camenzind.

[Abb. 0909] Flasche «Kirsch vieux» von «Albert Camenzind’s Wittwe», 1896.</p>

[Abb. 0909] Flasche «Kirsch vieux» von «Albert Camenzind’s Wittwe», 1896.

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[Abb. 0910] Briefkopf mit Gelände der «Camenzind’s Wittwe, Steinen», 1922.</p>

[Abb. 0910] Briefkopf mit Gelände der «Camenzind’s Wittwe, Steinen», 1922.

[Abb. 0911] Verpackungskarton «Camenzind’s Eier-Kirsch», ab 1944.</p>

[Abb. 0911] Verpackungskarton «Camenzind’s Eier-Kirsch», ab 1944.

[Abb. 0912] Metallgitter-Korbflasche der Brennerei Camenzind, ab 1944.</p>

[Abb. 0912] Metallgitter-Korbflasche der Brennerei Camenzind, ab 1944.

[Abb. 0913] Plakat «Alb. Camenzind Wwe. A.G., Steinen», ab 1944.</p>

[Abb. 0913] Plakat «Alb. Camenzind Wwe. A.G., Steinen», ab 1944.

[Abb. 0914] Destillate der «Alb. Camenzind’s Wittwe AG», 1964: Neben «Kirsch vieux» stellte Camenzind auch speziellen «Choco-Kirsch» her.</p>


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[Abb. 0914] Destillate der «Alb. Camenzind’s Wittwe AG», 1964: Neben «Kirsch vieux» stellte Camenzind auch speziellen «Choco-Kirsch» her.

 

 
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Quellen

Bildarchiv: PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug.

 

[Abb. 0909] PA LF, Privatarchiv Lukas Fassbind Oberarth; [Abb. 0910] StA SZ, Staatsarchiv Schwyz; [Abb. 0911/0912] PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug; [Abb. 0913] BG, Bibliothèque de Genève; [Abb. 0914] GA St, Gemeindearchiv Steinen.