Die Gebrüder Josef und Karl Landtwing begannen 1879 in Seewen mit dem Brennen von Kirschwasser und anderen Destillaten. Erstmals ausgezeichnet wurde das Kirschwasser von Landtwing 1883 in Zürich. Bald gehörte auch die bestehende Brennerei der Gebrüder von Reding aus Schwyz, die ihren Kirsch vor allem im Welschland anboten, zum florierenden Betrieb. Zudem wurde auch die 1891 gegründete Kirschbrennerei von Alfred Schindler in Schwyz mitsamt dem stattlichen Gebäude an der Bahnhofstrasse 160 in Seewen aufgekauft, was zu einer beträchtlichen Brennkapazität führte. Und man beschäftigte sogar noch auswärtige Lohnbrenner. Der Sitz der Brennerei und Likörfabrikation von Josef Landtwing befand sich fortan in Schwyz, die Produktion in Seewen. Die preisgekrönten Destillate wurden erfolgreich ins Ausland bis nach Übersee exportiert. Die Nachkommen bauten das Geschäft stetig aus und belieferten 30'000 Privatkunden. 1990 wurde die Firma von einem Genfer Unternehmer übernommen und mit der fast gleich lautenden Kirschbrennerei «Carl Landtwing» im zugerischen Hünenberg fusioniert. Die daraus resultierende «Landtwing Rütter AG» wurde zu einer der grössten und modernsten Destillerien Europas. Der Name «Landtwing Kirsch» existiert heute noch als Marke.
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Wann genau die Schwyzer Brennerei Landtwing gegründet wurde, ist nicht klar, vermutet wird das Jahr 1879. Gemäss Nacherzählung haben die Gebrüder Josef und Karl Landtwing ihre Tätigkeit in der Brennerei beim «Bauernhof» an der Seewernstrasse 59 im schwyzerischen Seewen begonnen. Ihre erste Auszeichnung erhielt die Firma Landtwing 1883 in Zürich. 1887 übernahm der aus Zug stammende Josef Landtwing-Brunner (1863–1944) die bestehende Kirschbrennerei der Gebrüder Karl Josef Franz von Reding-Wiget (1825–1888) und Josef Dominik Xaver von Reding-Amgwert (1828–1897) im «Immenfeld» in Schwyz. Dominik von Reding war Destillateur und Händler und bereiste schon früh die Welschschweiz, wo er dem Kirsch aus Schwyz zu einem guten Ruf verhalf. Tausende von Franken flossen so jährlich auch in die Taschen der Schwyzer Chriesibauern.[182]
Ab dem Jahr 1918 erwarb Josef Landtwing auch die 1891 gegründete «Kirsch-Destillation Schwyz, Alfred Schindler, Alleininhaber» (korrigierte Fassung), das stattliche Gebäude mit zwei Flügelbauten und einer Brennerei an der Bahnhofstrasse 160 in Seewen, gebaut in den Jahren 1894 bis 1896.[183] Der Geschäftssitz der Firma Landtwing befand sich in Schwyz, während der Kirsch in Seewen produziert wurde.[184] Erfolge verbuchte die Destillerie «Landtwing Jos., ältestes Specialgeschäft in Schwyz» mit ihrem «Kirsch de Schwyz», der auch 1895 und 1914 in Bern und 1896 in Genf mit Medaillen ausgezeichnet wurde. Der Kirsch aus Schwyz wurde ins Ausland exportiert und gewann an der Weltausstellung 1893 in Chicago und an der internationalen Ausstellung 1895 in Bordeaux ebenfalls Medaillen.[185] 1932 verfügte die Brennerei und Likörfabrikation von Josef Landtwing über zwei feststehende Brennblasen à je 170 Liter und über eine fahrbare Brennblase à 1’000 Liter, was einem beträchtlichen Gesamtblaseninhalt von 1’340 Litern entspricht.[186] Landtwing destillierte nicht nur selber, er beauftragte auch den Lohnbrenner Franz Janser aus Ibach mit dem Kirschenbrennen.
1940 übernahm Karl Albert Werner Landtwing-Beck/Nescher Ab-Yberg I. (1900–1979) die Firma von seinem Vater Josef, nachdem er schon länger als Geschäftsführer gewirkt hatte.[187] Das Sortiment vergrösserte Werner ständig und stellte auch erfolgreich Luxusliköre her. Zusätzlich handelte er mit in- und ausländischen Weinen, diversen Sprituosen und Champagner. Erhalten geblieben ist eine Musikdosen-Kirschflasche mit eingefasster Puppenfigur einer leichtbekleideten Tänzerin, mit der Werner Landtwing I. laut Nacherzählung von Wirtshaus zu Wirtshaus zog, um frivole Werbung für seinen Kirsch zu machen. 1972 ging die Firma in Seewen an seinen Sohn Werner Landtwing II. (*1951) und wurde in die Aktiengesellschaft «Werner Landtwing AG» umgewandelt. Ab 1979 führte Wolfgang von Reding die Firma weiter. Dieser war mit der «Werner Landtwing AG» schweizweit an vielen Ausstellungen und besass damals über 30’000 Privatkunden. 1990 übernahm der Genfer Unternehmer Antoine Escher die Traditionsfirma «Werner Landtwing Destillation» in Seewen–Schwyz und fusionierte sie mit der 1855 gegründeten Firma «Carl Landtwing» in Hünenberg. 1995 folgte die Übernahme der inzwischen vereinten Firmen «Carl & Werner Landtwing» durch den Unternehmer Bernhard Rütter (*1952) aus dem luzernischen St. Erhard. Die Firma verarbeitete im gleichen Jahr rund 2.22 Millionen Kilogramm Brennkirschen und gehörte damit zu den grössten Kirschverarbeitern der Schweiz. 1997 folgte die Umbenennung der Brennerei in «Landtwing AG». 2001 gab es einen er- neuten Namenswechsel zu «Landtwing Rütter AG» mit Sitz in Hünenberg und St. Erhard. Die Firma war damals das grösste Spirituosenunternehmen der Schweiz, bevor der Betrieb mit dem Likör- und Spirituosengeschäft 2010 an die «DIWISA» in Willisau weiterverkauft wurde.[188]
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Literatur: Kleeb Ueli / Lötscher Caroline, CHRIESI, Kirschenkultur rund um Zugersee und Rigi, Zug, 2017, www.chriesi.ch. Texte auf Seiten 455–559 zum Kirschgewerbe 1–45 von Ueli Kleeb & Michael van Orsouw.
[181] — PA UK, AZRK, 1.2.0 Brennereien, Landtwing, Schwyz; Auskünfte Bernhard Rütter, Luzern / Armin Kenel, Goldau / Werner Landtwing, Schwyz / Karl Weber, Seewen / Peter Rickenbacher, Seewen / Wolfgang von Reding, Brunnen. [182] — Privatarchiv von Reding Schwyz, in: StA SZ, PA 23, Sammlung Reding, S. 12, 20; Nekrolog Schwyzer Zeitung, Karl von Reding, in: SZ, 04.04.1888; Nekrolog Schwyzer Zeitung, Dominik von Reding, in: SZ, 20.02.1897; Nekrolog Bote der Urschweiz, Dominik von Reding, in: BU, 27.02.1897; Kubly, Johann Jakob, «Glarner Genealogie», Glarus, 1893–1923, Band 2, S. 1, 91, 99. [183] — Nekrolog Bote der Urschweiz, «Major Josef Landtwing, Schwyz», in: BU, 22.08.1944; Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, «INSA, Inventar der neueren Schweizer Architektur, 1850–1920», Band 8, St. Gallen/Sarnen/Schaffhausen/Schwyz, Bern, 1996, S. 477. [184] — Scheiwiller, Yvonne, «Schwyzer Industriekultur», Schwyz, 2010, S. 206–207. [185] — Koch, Hans / Nussberger, Paul, «Beiträge zur Heimatgeschichte von Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug», Zollikon-Zürich, 1947, S. 143. [186] — Verzeichnis der Brennerei-Inhaber, Schwyz 1027, EAV, Bern. [187] — Nekrolog Schwyzer Zeitung, «Werner Landtwing, Destillerie, Seewen», in: SZ, Nr. 73, 11.09.1979. [188] — FA LR, St. Erhard.
[Abb. 0915] Postkarte «Kirsch-Destillation-Schwyz» von Alfred Schindler in Seewen–Schwyz, ab 1891.
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[Abb. 0917] Blechschild «Kirschwasser-Destillation Landtwing Jos., Nachfolger von Gebr. Reding, ältestes Specialgeschäft in Schwyz», vor 1935.
[Abb. 0916] Vertreterkarte «Distillerie de Cerises, Landtwing Jos., Schwyz», von Ernst Casartelli, ab 1896.
[Abb. 0918] Wandthermometer «Kirsch-Destillation & Liqueur-Fabrik, Landtwing Jos., Schwyz», vor 1935.
[Abb. 0919] Werbeaschenbecher «Werner Landtwing, Schwyz», ab 1935.
[Abb. 0920] Musikdosen-Kirschflasche «Kirsch de Schwyz» von Werner Landtwing I., um 1950: Am Stammtisch liess man die Puppenfrau tanzen und schenkte gleichzeitig Kirsch ein.
[Abb. 0921] Entplombierungskarte der Eidgenössischen Alkoholverwaltung, 13. November 2003: Bevor «Landtwing-Rütter AG» in Hünenberg destillieren durfte, musste die Entfernung der EAV-Kontrollplomben am Brennapparat jedes Jahr offiziell deklariert werden.
[Abb.neu] Leidbild von Josef Landtwing-Brunner (1863–1944).
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Bildarchiv: PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug.
[Abb. 0915/0916/0917] PA AH, Privatarchiv Alois Horat Seewen; [Abb. 0918] PA TG, Privatarchiv Toni Gasser Ibach; [Abb. 0919] PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug; [Abb. 0920] PA PR, Privatarchiv Peter Rickenbacher Seewen; [Abb. 0921] EAV, Eidgenössische Alkoholverwaltung Bern; [Abb. neu] StA SZ, Staatsarchiv Schwyz.