Kirsch, Most und
Bränz rund
um Zugersee und Rigi

Kirschgewerbe 29

Kolonialwaren
und Kutschendienste

1885; 1973: Nussbaumer, MorgartenOberägeri; Roos, Baar [213]

Standort: Morgarten – Teufi (Sattelstrasse 5).

Mit der Erlaubnis, im Morgarten einen Gasthof zu führen, erhiehlt die Familie Nussbaumer 1885 auch eine Lizenz zum Destillieren. Direkt am Aegerisee errichteten sie deshalb eine Brennerei, stellten Kirsch und andere gebrannte Wasser her und führten einen Hofladen, aus welchem mit der Zeit ein Kolonialwarenladen wurde. Mit dem aufkommenden Tourismus betrieben die Nussbaumers einen Postkutschendienst und waren als Postboten und Fuhrleute unterwegs. Nach der Eröffnung des Morgartendenkmals im Jahr 1908 wurde das alljährliche «Morgartenschiessen» eingeführt, bei dem die Familie die Führung der Festwirtschaft übernahm. Der Absatz von Kirsch und anderen Destillaten soll bei diesen Feiern beträchtlich gewesen sein.

 

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1885 erhielt Josef Karl Nussbaumer-Merz (1845–1925), Bauer auf dem Hof «Teufi» zu Morgarten, das Wirtepatent für den Betrieb des Gasthofs zum Morgarten. Mit dem Patent erhielt Nussbaumer von der Gemeinde Oberägeri auch die Lizenz zum Destillieren. Unmittelbar neben dem Gasthof errichtete er beim Lande­steg am Ägerisee eine Brennerei. Die Landwirtschaft und vor allem die Viehwirtschaft blieben aber das Hauptgeschäft der Familie Nussbaumer. Im ersten Hofladen verkaufte Josef Karl auch Destillate und Apfelwein.

 

Mit der Gründung der «Dampf­­schifffahrtsgesellschaft für den Ägerisee» und dem Bau des ersten Schiffes «Morgarten», genannt «Holzschuh», kamen ab 1890 immer mehr Touristen ins zugerische Morgarten, um das angebliche Schlachtgelände zu besichtigen und um das milde Voralpenklima des Ägeritals zu geniessen. Davon profitierte auch die Gastwirtschaft. Aus dem Hofladen der Familie Nussbaumer entwickelte sich ein Kolonialwarenladen, der Gemüse, Obst, Apfelwein und eigene Destillate wie «Träsch», «Kirsch», «Zwetschgen» und «Pflümli», aber auch Haushalts- und Toilettenartikel und insbesondere exotische Südfrüchte und exquisite Schokolade anbot. Darüber hinaus betätigte sich die Nussbaumers als Postboten und Fuhrleute und betrieben auf der ausgebauten Kantonsstrasse entlang des Ägerisees bis ins schwyze­rische Sattel einen Postkutschendienst. Auch eine Sägerei und eine Holzköhlerei gehör­ten zum Familienunternehmen. Die Brennerei am Ägerisee soll zu dieser Zeit eine der grössten in der Umgebung gewesen sein.

 

Josef Karl Nussbaumer betrieb zudem eine Lohnbrennerei, bei der die Kunden ihr Obst anliefern und destillieren lassen konnten. Mit dem Bau des Schlachtdenkmals am Morgarten begann man 1906, sehr zum Missfallen der Schwyzer, die den historisch richtigen Schlachtplatz weiter südlich bei der «Schornen» für sich reklamierten. Carl Josef Nussbaumer-Iten I. (1889–1954), der Sohn von Josef Karl, führte die Nagelfluhsteine, die vom Goldauer Bergsturz stam­mend mit der Südostbahn nach Sattel transportiert wurden, mit einem Mehrspänner über den Engpass bei der «Schornen» zum Bauplatz des Denkmals beim «Buechwäldli».[214]

 

Die Einweihung des stattlichen Schlachtdenkmals 1908 bewirkte im Ägerital einen weiteren Aufschwung des Tourismus. Und das 1912 erstmals durchgeführte «Morgartenschiessen» sorgte für neue Erwerbsmöglichkeiten in der Form von grossen Festwirtschaften, bei denen der Absatz von gebrannten Wassern beachtlich gewesen sein soll. 1916 wurde der vielfältige Familienbetrieb von Carl (Karl) Josef Nuss­baumer-Iten I. übernommen. Nussbaumer war über das Ägerital hinaus bekannt als Festwirt der alljähr­lichen Morgartenfeier, die anlässlich der 1915 ausgetragenen 600-Jahr-Schlachtfeier ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Nussbaumer verfügte 1932 als «Hausbrennerei-Inhaber» über zwei feststehende Brennblasen mit einem Gesamt­blaseninhalt von 150 Litern.[215]

 

1946 übernahm sein Sohn Karl Josef Nussbaumer-Nussbaumer II. (1918–1995) den Bauernhof und das Gasthaus. Mit dem Neubau der Kantonsstrasse und dem Ausbau des Badeplatzes riss Nussbaumer das alte Brennereigebäude 1954 ab und errichtete es neu neben dem alten Gasthof. 1961 weihte der Wirt den neuen Gasthof Morgar­ten ein, zwei Jahre später gab Nussbaumer den Landwirtschaftsbetrieb auf und verpachtete ihn. Im Schreiben der Eidgenössischen Alkoholverwaltung vom 26. November 1973 wurde die Zustimmung erteilt, einen Brennhafen mit direkter Feuerung und einem Inhalt von 150 Litern an die «Distillerie K. Weber AG» bei St. Adrian in Arth zu verkaufen. Danach pachtete Franz Roos (1918–2003) aus Baar die verbliebene Brennerei und destillierte in Morgarten von 1973 bis 1987.[216]

 
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Quellen

Literatur: Kleeb Ueli / Lötscher Caroline, CHRIESI, Kirschenkultur rund um Zugersee und Rigi, Zug, 2017, www.chriesi.ch. Texte auf Seiten 455–559 zum Kirschgewerbe 1–45 von Ueli Kleeb & Michael van Orsouw.

 

[213] PA UK, AZRK, 1.2.0 Brennereien, Nussbaumer–Roos, Morgarten–Oberägeri–Baar; PA KN, Mor­garten; Auskünfte Carlo Nussbaumer, Morgarten.[214] Nussbaumer, Carlo, «Die Entwicklung vom landwirtschaftlichen Gewerbe zum dienstleistenden Gewerbe, am Beispiel der Familie Nussbaumer ab der Teufi zu Morgarten», Maturaarbeit, Oberägeri, 2012. [215] Verzeichnis der Brennerei-Inhaber, Oberägeri 1406, EAV, Bern. [216] Nussbaumer, Carlo, «Die Entwicklung vom landwirtschaftlichen Gewerbe zum dienstleistenden Gewerbe, am Beispiel der Familie Nussbaumer ab der Teufi zu Morgarten», Maturaarbeit, Oberägeri, 2012.

[Abb. 0950] Hof «Teufi» der Familie Nussbaumer in Mor­garten mit Brennhaus und Hochstamm-Obstbäumen direkt am Ägerisee, 1887.</p>

[Abb. 0950] Hof «Teufi» der Familie Nussbaumer in Mor­garten mit Brennhaus und Hochstamm-Obstbäumen direkt am Ägerisee, 1887.

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[Abb. 0952] «Gasthaus & Pension Mor­garten» am Ägerisee, um 1919.</p>

[Abb. 0952] «Gasthaus & Pension Mor­garten» am Ägerisee, um 1919.

[Abb. 0953] 150-Liter-Brennapparat von Karl Nussbaumer, 1967.</p>

[Abb. 0953] 150-Liter-Brennapparat von Karl Nussbaumer, 1967.

[Abb. 0951] Postkarte «Morgartendenkmal», eingeweiht 1908: Die Nussbaumer waren Gastwirte, Kirsch­brenner, Ladenbetreiber, Post­kutscher und Fuhrleute und transportierten die Nagelfluhsteine für den Denkmalbau vom Bahnhof Sattel zum «Buechwäldli».</p>

[Abb. 0951] Postkarte «Morgartendenkmal», eingeweiht 1908: Die Nussbaumer waren Gastwirte, Kirsch­brenner, Ladenbetreiber, Post­kutscher und Fuhrleute und transportierten die Nagelfluhsteine für den Denkmalbau vom Bahnhof Sattel zum «Buechwäldli».

[Abb. 0954] Ballonflasche im Holz­ge­stell mit Brandzeichen «KN», bis 1973.</p>

[Abb. 0954] Ballonflasche im Holz­ge­stell mit Brandzeichen «KN», bis 1973.

[Abb. 0955] Kaufvertrag «K. Weber AG Arth, Distillerie St. Adrian», 17. November 1973: Für 12’000 Franken kaufte Karl Weber aus Arth bei Karl Nussbaumer in Morgarten eine gewerblich konzessionierte Brennerei.</p>

[Abb. 0955] Kaufvertrag «K. Weber AG Arth, Distillerie St. Adrian», 17. November 1973: Für 12’000 Franken kaufte Karl Weber aus Arth bei Karl Nussbaumer in Morgarten eine gewerblich konzessionierte Brennerei.

[Abb. 0956] Brief der Eidg. Alkoholverwaltung Bern, 26. November 1973: Die EAV erteilte der «Distillerie K. Weber AG» in Arth die Bewilligung zum Erwerb eines Brennapparates von Karl Nussbaumer in Morgarten.</p>

[Abb. 0956] Brief der Eidg. Alkoholverwaltung Bern, 26. November 1973: Die EAV erteilte der «Distillerie K. Weber AG» in Arth die Bewilligung zum Erwerb eines Brennapparates von Karl Nussbaumer in Morgarten.

 
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Quellen

Bildarchiv: PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug.

 

[Abb. 0950] PA KN, Privatarchiv Karl Nussbaumer Morgarten; [Abb. 0951] ETH, ETH-Bibliothek Zürich; [Abb. 0952] PA KN, Privatarchiv Karl Nussbaumer Morgarten; [Abb. 0953] EAV, Eidgenössische Alkoholverwaltung Bern; [Abb. 0954/0955/0956] PA KN, Privatarchiv Karl Nussbaumer Morgarten.