Da die Brennereien in der Umgebung stark ausgelastet waren, wollten sich 13 Hünenberger Obstbauern selber helfen und gründeten 1912 die «Dampfbrennerei-Genossenschaft Hünenberg». Man beschloss die Anschaffung einer ersten fahrbaren Brennerei, die mit Dampf betrieben wurde, später kam noch eine zweite mobile Anlage dazu. Die Gesellschaft stellte eigene Brennmeister an, die als Störbrenner von Hof zu Hof fuhren und die zuvor vergorenen Brennkirschen und anderes Obst direkt vor Ort destillierten. 1967 wurde die mobile Brennerei an die eidgenössische Alkoholverwaltung Bern verkauft, die für stillgelegte Brennanlagen ansehnliche Prämien zahlte, mit dem Ziel, das Gesamtbrennvolumen in der Schweiz zu verringern.
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In der Region um Zugersee und Rigi gab es 1951 neben den 452 feststehenden Hausbrennereien auch acht fahrbare Brennereien.[243] Eine davon war die der «Dampfbrennerei-Gesellschaft Hünenberg». 13 Hünenberger Obstbauern legten an der ersten Versammlung vom 8. August 1912 im Restaurant «Wartstein» das Fundament für die neue Gesellschaft. Weil damals die regionalen Brennereien alle stark ausgelastet waren, wollten sich die Hünenberger Bauern selber helfen. Erster Präsident war Friedensrichter Jakob Burkhard von der «Zollweid», erster Kassier Meinrad Burkhard von der inneren «Stadelmatt» und erster Aktuar Josef Weibel im «Moos». Weitere Gesellschafter waren Meinrad Burkhard, «Stadelmatt»; H. Wass, «Strimatt»; Burkhard, «Marlachen»; W. Wyss, «Wartstein»; Josef Schmid, «Drälikon»; Robert Bütler, «Hinterhünenberg»; Josef Weibel, «Dorf»; Bütler, «Huobhof»; L. Baumgartner, «Degen» und A. Gretener, «Zithus». Jeder Gesellschafter übernahm einen Anteilschein von 100 Franken. Beschlossen wurde die Anschaffung einer fahrbaren Dampfbrennerei von Kupferschmied Johann Binzegger aus Baar, der die Lieferung einer Anlage samt Zubehör und Garantie zum Preis von 5’500 Franken anbot. 1914 fasste die Gesellschaft zudem den Beschluss, sich dem Zuger Dampfkesselverein anzuschliessen.[244]
Erster Brennmeister war Xaver Wyss vom Hof «Chrügeli», der zuerst im Taglohn arbeitete, später mit 4 Rappen pro gebranntem Liter Schnaps entschädigt wurde. Traditionell bekam der Brennmeister vor Ort jeweils Essen und Trinken sowie das nötige Brennholz. Die Brenntaxen betrugen zwischen 1912 und 1947 zwischen 16 und 40 Rappen pro Liter. Ab 1964 variierten die Preise zwischen 75 und 140 Rappen. Die «Dampfbrennerei-Gesellschaft Hünenberg» verfügte 1932 als «konzessionspflichtige Brennerei-Inhaberin» über zwei fahrbare Brennblasen à je 400 Liter, was einem Gesamtblaseninhalt von 800 Litern entspricht.[245] Xaver Wyss reiste mit der fahrbaren Brennerei während 30 Jahren von Hof zu Hof.[246] 1939 diskutierte man die Liquidation der «Dampfbrennerei-Gesellschaft Hünenberg», da die Brennerei nach 26-jährigem Betrieb in die Jahre gekommen war. Schliesslich beschlossen die Gesellschafter, die Maschine für die Summe von 1’200 Franken nochmals total zu revidieren. 1957 waren weitere Reparaturen fällig.
An der ausserordentlichen Generalversammlung vom 8. Mai 1966 im Restaurant Wart wurde schliesslich die Liquidation der Gesellschaft beschlossen. Die fahrbare Brennerei wurde 1967 an die Eidgenössische Alkoholverwaltung verkauft und per Bahn ins Lager nach Romanshorn abtransportiert. Das Geschäftsvermögen verteilten die Mitglieder unter sich, indem jeder 1’000 Franken und eine Zinnflasche mit der Aufschrift «Dampfbrennerei-Gesellschaft Hünenberg 1912–1967» erhielt. Der letzte angestellte Lohnbrenner, Alois Petermann, erhielt als Abfindung 500 Franken.[247]
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Literatur: Kleeb Ueli / Lötscher Caroline, CHRIESI, Kirschenkultur rund um Zugersee und Rigi, Zug, 2017, www.chriesi.ch. Texte auf Seiten 455–559 zum Kirschgewerbe 1–45 von Ueli Kleeb & Michael van Orsouw.
[242] PA UK, AZRK, 1.2.0 Brennereien, Dampfbrennerei-Gesellschaft, Hünenberg; Auskünfte Klaus Meyer, Hünenberg. [243] Fässler, Josef, «Die Landwirtschaft», in: «Das Buch vom Lande Zug, Festgabe zur Zuger Zentenarfeier 1952», Zug, 1952, S. 127–133. [244] Artikel Heimat-Klänge, Kulturelle Beilage zu den Zuger Nachrichten, «Die Brennerei-Gesellschaft Hünenberg 1912 bis 1967», in: HK, Nr. 5, 30.07.1971, S. 24, 28. [245] Verzeichnis der Brennerei-Inhaber, Hünenberg 1403, EAV, Bern. [246] Hünenberg, «Hünenberg – Geschichte und Geschichten einer Zuger Gemeinde», Hünenberg, 1988, S. 38. [247] Hünenberg, «Hünenberg – Geschichte und Geschichten einer Zuger Gemeinde», Hünenberg, 1988, S. 38.
[Abb. 0979] Abtransport der mobilen Brennerei der «Dampfbrennerei-Gesellschaft Hünenberg» per Bahn ins Lager der EAV in Romanshorn, 1967.
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[Abb. 0976] Gründungsprotokoll der «Dampfbrennerei-Gesellschaft» in Hünenberg», 8. August 1912.
[Abb. 0977] Rechnung der «Dampfbrennerei-Gesellschaft Ober-Hünenberg», 31. Dezember 1914.
[Abb. 0978] Luftbild von Hünenberg West mit Weinrebenkapelle und Obstbäumen, um 1950.
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Bildarchiv: PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug.
[Abb. 0976/0977] PA KM, Privatarchiv Klaus Meyer Hünenberg; [Abb. 0978/0979] PA KM, Privatarchiv Klaus Meyer Hünenberg.