Kirsch, Most und
Bränz rund
um Zugersee und Rigi

Kirschgewerbe 38

Der produktive «Fyrabig Kari»

1922; 1948; 1983: Schwarzenberger, Rotkreuz; Feierabend, BerchtwilRotkreuz; Röllin, Hünenberg [258]

Standorte: Rotkreuz – Poststrasse 1. Rotkreuz – Haldenhof 1, Berchtwil 1. Hünenberg – Drälikerstrasse 6.

Im Ennetsee existierte eine fahrbare Störbrennerei, die mehrmals den Besitzer wechselte und mehrfach modifiziert wurde. Ab 1922 betrieb Adolf Schwarzenberger eine Brennerei in Rotkreuz, ab 1932 besass er eine mobile Brennblase. 1948 verkaufte er diese an Franz Feierabend, der mit der fahrbaren Brennerei, die von vier Pferden gezogen wurde, zu den über 120 Kunden in der Region fuhr und das zuvor vergorene Obst, auch Brennkirschen, direkt vor Ort destillierte. 1965 wurde das in Berchtwil stationierte Geschäft von dessen Sohn, «Fyrabig Kari» genannt, übernommen und erfolgreich weitergeführt. Hans Röllin aus Hünenberg kaufte die fahrende «Schnapsbränni» im Jahr 1982 und verbesserte und erweiterte die Anlage laufend. 1999 übernahm sein Sohn Hanspeter, bevor die mobile Brennerei 2007 nach Hitzkirch veräussert wurde.

 

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Wirt und Obstbrenner Adolf Schwarzenberger-Meier (1894–1957) vom Hotel-Restaurant Bauernhof in Rotkreuz betrieb ab 1922 eine Brennerei mit zwei Brennblasen. 1932 verfüg­te Schwarzenberger als «konzessionspflichtiger Brennerei-Inhaber» über eine fahrbare Brennblase mit 250 Litern.[259]

 

1948 kaufte Franz Feierabend (1908–1965) aus Baar die fahrbare Brennerei von Schwar­zenberger und zog noch im gleichen Jahr nach Rotkreuz zu Bauer Louis Buholzer im «Haldenhof». 1959 erstand Feierabend ein angebautes Bauernhaus in «Berchtwil» bei Rotkreuz. Neben dem Kirsch produzierte er wäh­rend 17 Jahren als Lohnbrenner bei den Kunden auch Most und Träsch aus Äpfeln und Birnen sowie Zwetschgenwasser, Pflaumenwasser, Williams und einmal sogar Schnaps aus Erdbeeren. Feierabend hatte über 120 Kunden, hauptsächlich Bauern aus der Region Ennetsee, zu denen er anfangs noch mit Hilfe von vier Pferden, später mit dem Trak­tor fuhr. Seine Söhne Karl und Josef, genannt «Kari» und «Sepp», nahm er jeweils für Hilfsarbeiten mit und führte sie dabei in die Kunst des Destillierens ein.[260]

 

Nach dem Tod von Franz Feierabend übernahm 1965 sein Sohn Karl Feierabend (1945–2007) die Brennerei. «Fyrabig Kari» und seine fahrende «Schnapsbränni», die er mit einem Landrover und einem Chevrolet verschob, gehörten auf den Ennetseer Bauernhö­fen zum vertrauten Bild. Während 17 Jahren stellte Feierabend mehr als 300’000 Liter Schnaps her. Als der beliebte Störbrenner 1983 in die Dominikanische Republik auswanderte, um dort als Bauer sein Glück zu versuchen, ging die Bren­nerei 1982 für rund 60’000 Franken an Hans Röllin-Kretz (*1932) aus Hünenberg.[261] Noch vor seiner Abreise führte Feierabend Neuling Röllin während dreier Wochen in die Kunst des Schnapsbrennens ein. Hans Röllin war vorher während 25 Jahren als Last­wagenfahrer bei der Papierfab­rik Cham tätig: «Am Samstag hatte ich den letzten Tag als Chauffeur, am Montag da­rauf begann ich mit Brennen!»[262]

 

Ab 1983 wirkte Hans Röllin mit seiner Frau Elisabeth an der Drälikerstrasse in Hünenberg als fahrender Schnapsbrenner. Er konstruierte 1985 ein vollhydraulisches Dach und ei­nen beweglichen, hydrau­lischen Kamin für seine fahrbare Schnaps­­brennerei. 1986 erneuerte er den Unterwagen und baute eine 400-Liter-Häfeli­brenn­blase ein. Während der Brennsaison von Mitte November bis Mitte Juli bediente Röllin seine un­gefähr 150 verschiedenen Kunden auf mehr als 90 Bauern­höfen. Während dieser Tour durch den Kanton Zug liefen so rund 20’000 Liter Schnaps durch die Behälter und Appa­raturen.[263] 1998 rüs­tete Röllin die Anlage mit zwei weiteren Brennblasen und einem Kata­lysator aus. Die Maische der Kunden konnte somit getrennt und in einem Arbeitsgang gebrannt werden, neu stand eine Kapazität von 930 Litern zur Verfügung. Damit war die «einzige fahrbare Brennerei der Schweiz mit Kataly­sator» auf dem neusten Stand.

 

1999 übernahm Sohn Hanspeter Röllin-Benigno (*1962) zusammen mit seiner Frau Angela von seinem Vater die Brennerei und rüstete die An­lage mit zwei neuen Brennblasen aus. Der Kundenstamm wuchs in der Folge stetig an. Das Gebiet der Brennerei reichte vom aargauischen Boswil bis ins schwyzerische Muotatal und vom Albis bis an den Horben. Hanspeter Röllin verar­beitete fast alle Obstsorten und Früchte und stellte für seine Kundschaft neben Kirschwasser ausgesuchte Schnäpse und Liköre her. Im Jahr 2007 gab er den Betrieb auf und verkaufte die fahrbare Brennerei an Franz Fassbind in Hitzkirch.[264] 

 
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Quellen

Literatur: Kleeb Ueli / Lötscher Caroline, CHRIESI, Kirschenkultur rund um Zugersee und Rigi, Zug, 2017, www.chriesi.ch. Texte auf Seiten 455–559 zum Kirschgewerbe 1–45 von Ueli Kleeb & Michael van Orsouw.

 

[258] PA UK, AZRK, 1.2.0 Brennereien, Schwarzenberger–Feierabend–Röllin, Rotkreuz–Hünenberg; Auskünfte Sepp Feierabend, Oberägeri / Hans Röllin, Hünenberg. [259] Verzeichnis der Brennerei-Inhaber, Risch 1407, EAV, Bern. [260] PA SF, Oberägeri. [261] Steiner, Hermann, «D Schnapsbrönni – ein Stück Nostalgie», in: «Zuger Kalender 1990», Zug, 1990, S. 87; Artikel Bote der Urschweiz, «Jetzt ‹brennen› sie wieder ...», in: BU, Nr. 15, 20.02.1973; Artikel Zuger Nachrichten, «‹Dr Fyrabig Kari› wandert aus», in: ZN, Nr. 2, 05.01.1983. [262] Artikel Zuger Nachrichten, «Kommt der Winter, kommt Brenner Röllin», in: ZN, Nr. 287, 11.12.1993. [263] Artikel Zuger Nachrichten, «Kommt der Winter, kommt Brenner Röllin», in: ZN, Nr. 287, 11.12.1993. [264] Sigrist, Martin C. / Lang Vredenbregt, Béatrice / Stüssi, Caroline B., «Eine kulinarische Entdeckungsreise durch die Zentralschweiz», Frankfurt am Main, 2005, S. 34–35.

[Abb. 0986] Adolf Schwarzenberger-Meier (1894–1957) beim Kirschbrennen, ab 1922.</p>

[Abb. 0986] Adolf Schwarzenberger-Meier (1894–1957) beim Kirschbrennen, ab 1922.

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[Abb. 0987] Fahrbare Brennerei von Karl Feierabend in «Berchtwil» bei Rotkreuz, November 1980.</p>

[Abb. 0987] Fahrbare Brennerei von Karl Feierabend in «Berchtwil» bei Rotkreuz, November 1980.

[Abb. 0988] Karl Feierabend (1945–2007), genannt «Fyrabig Kari», beim Brennen auf seiner Hacienda in der Dominikanischen Republik, ab 1983.</p>

[Abb. 0988] Karl Feierabend (1945–2007), genannt «Fyrabig Kari», beim Brennen auf seiner Hacienda in der Dominikanischen Republik, ab 1983.

[Abb. 0990/0991] Fahrbare Brennerei von Hans Röllin in Hünenberg, Januar 1985: Die Blachen dienten als Schutz vor der Kälte, denn während der Wintermonate wurde bei jeder Witterung draussen gebrannt.</p>

[Abb. 0990/0991] Fahrbare Brennerei von Hans Röllin in Hünenberg, Januar 1985: Die Blachen dienten als Schutz vor der Kälte, denn während der Wintermonate wurde bei jeder Witterung draussen gebrannt.

[Abb. 0989] Fahrbare Brennerei von Hans Röllin, ab 1982: Röllin bediente seine rund 150 Kunden auf mehr als 90 Bauernhöfen in der Region und brannte dabei von November bis Juli rund 20’000 Liter Schnaps pro Jahr.</p>

[Abb. 0989] Fahrbare Brennerei von Hans Röllin, ab 1982: Röllin bediente seine rund 150 Kunden auf mehr als 90 Bauernhöfen in der Region und brannte dabei von November bis Juli rund 20’000 Liter Schnaps pro Jahr.

 
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Quellen

Bildarchiv: PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug.

 

[Abb. 0986] PA RH, Privatarchiv Richard Hediger Rotkreuz; [Abb. 0987] PA SF, Privatarchiv Sepp Feierabend Oberägeri; [Abb. 0988/0989/0990/0991] PA HR, Privatarchiv Hans Röllin Hünenberg.