Der Brenner Melchior Waldvogel spezialisiert sich auf die Herstellung von «Kräuterbranntwein» und gründete 1943 eine Firma für Spirituosen in Walchwil. Er produzierte auch Liköre, destillierte Zwetschgen- und Kirschwasser und bekam damit Probleme mit dem Lebensmittellabor. Dieses stellte bei einer Kontrolle fest, dass es sich bei einer Lieferung nicht um «Kirsch» sondern lediglich um «Kirsch-Verschnitt» handle. Das Gericht musste sich wiederholt mit der Brennerei Waldvogel beschäftigen, dann ging die Firma Konkurs und wurde 1951 im Handelsregister gelöscht.
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Eine alte Zentralschweizer Tradition ist das Herstellen von Kräuterbranntweinen. Seit jeher suchte man in der Gegend verschiedene Kräuter und mischte sie, um daraus «Chrüterschnaps» zu brennen. Sorgfältige Arbeit und viel Erfahrung waren nötig, um das richtige Aroma zu erreichen. Ein bekannter Lieferant von Kräutermischungen war das 1936 gegründete Kräuterhaus von Hans Kennel sen. (1913–1993) im schwyzerischen Seewen, das ab 1948 in Zug und ab 1962 in Baar ansässig war, bevor es 2005 an die Firma DIXA in St. Gallen überging.[274] Melchior Waldvogel (1911–2003) spezialisierte sich ab 1935 auf die Herstellung von Kräuterbranntwein und eröffnete 1943 mitten im Zweiten Weltkrieg eine eigene Brennerei in Walchwil. Neben dem «Chrüter» destillierte und handelte Waldvogel «Kirschwasser» und «Zwetschgenwasser» und produzierte Liköre.[275]
Allerdings stellte das «Kantonale Laboratorium für Lebensmittel-Untersuch» bei der Firma «Melchior Waldvogel, Spirituosen, Walchwil» 1944 Ungereimtheiten beim Kirschwasser fest. Der Luzerner Kantonschemiker hatte die Deklaration von Waldvogels Kirschwasser beanstandet und nur die Bezeichnung «Branntwein» zuerkannt. Das Labor hielt weiter fest: «Um diesen beanstandeten Kirsch noch als ‹Kirsch-Verschnitt› in Verkehr bringen zu können, ist derselbe unter amtlicher Aufsicht des kantonalen Laboratoriums mit reinem, kräftigem Kirsch aufzubessern.»[276] Ob diese amtlichen Untersuchungen das Ende der Firma bedeuteten, ist nicht überliefert. Jedenfalls stellte die Firma Waldvogel schon 1945 ihren Betrieb wieder ein.
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Literatur: Kleeb Ueli / Lötscher Caroline, CHRIESI, Kirschenkultur rund um Zugersee und Rigi, Zug, 2017, www.chriesi.ch. Texte auf Seiten 455–559 zum Kirschgewerbe 1–45 von Ueli Kleeb & Michael van Orsouw.
[273] PA UK, AZRK, 1.2.0 Brennereien, Waldvogel, Walchwil. [274] PA UK, AZRK, 1.1.0 Kräuter; Auskünfte Hans Kennel, Baar. [275] Koch, Hans / Nussberger, Paul, «Beiträge zur Heimatgeschichte von Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug», Zollikon– Zürich, 1947, S. 245. [276] Diverse Protokolle, Briefe, Artikel und Etiketten zur Kantonalen Lebensmittelkontrolle, in: StA ZG, CE 85, Sanitätswesen, 1913–1978.
[Abb. 0996] Luftbild von Walchwil mit Hochstamm-Obstbäumen, 28. Juli 1947.
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[Abb. 0997] Flaschenetikette «Kräuter» der Brennerei «M. Waldvogel Walchwil», vor 1945
[Abb. 0998] Gebrauchsanweisung «Kennel’s Kräutermischung Mythen» von Hans Kennel in Zug, vor 1962.
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Bildarchiv: PA UK, Privatarchiv Ueli Kleeb Zug.
[Abb.0996] ETH, ETH-Bibliothek Zürich; [Abb.0997] Koch, Hans / Nussberger, Paul, «Beiträge zur Heimatgeschichte von Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug», Zollikon–Zürich, 1947; [Abb.0998] FA HK, Firmenarchiv Hans Kennel Baar.